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er, daß dieser am Vorabend zu bescheiden in der Art und Weise
gewesen sei, in der er ihm die Zuneigung der Bewohner des
Bezirkes zu ihm geschildert hatte. Das war gewiß das mildeste der
Königtümer, das, dessen Ehrentitel in den Herzen der Untertanen
geschrieben stehen, ein wahres Königtum übrigens. Wie mächtig
auch der Ruhm oder die Macht strahlen, deren sich ein Mensch
erfreut, seine Seele hat sich bald ein richtiges Urteil über die
Gefühle gebildet, die ihm jede äußere Tätigkeit verschafft; und er
wird sich schnell klar über seine tatsächliche Nichtigkeit, indem er
keine Veränderung, nichts Neues, nichts Größeres in der
Ausübung seiner physischen Fähigkeiten entdeckt. Gehörte ihnen
auch die Welt, so sind die Könige doch dazu verdammt wie die
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übrigen Menschen in einem kleinen Kreise zu leben, dessen
Gesetzen sie unterworfen sind, und ihr Glück hängt von
persönlichen Eindrücken ab, die sie dort haben. Benassis aber
stieß überall im Bezirke nur auf Gehorsam und Freundschaft.
III
Der Napoleon des Volkes
Kommen Sie denn endlich, Monsieur!« sagte Jacquotte. »Die
Herren erwarten Sie schon hübsch lange. 's ist immer das gleiche.
Immer, wenn's gut werden soll, sorgen Sie dafür, daß mein Essen
mißrät. Jetzt ist alles zu Mus verkocht ...«
»Nun, wir sind ja da,« antwortete Benassis lächelnd.
Die beiden Reiter stiegen vom Pferde und wandten sich nach dem
Salon, wo sich die vom Doktor eingeladenen Personen aufhielten.
»Meine Herren,« sagte er, Genestas bei der Hand nehmend, »ich
habe die Ehre, Ihnen Monsieur Bluteau, Rittmeister des in
Grenoble garnisonierenden Kavallerieregimentes, vorzustellen,
einen alten Soldaten, der mir versprochen hat, einige Zeit unter
uns zu verweilen.«
Sich dann an Genestas wendend, zeigte er ihm einen großen,
hageren, grauhaarigen Mann in schwarzem Anzug.
»Dieser Herr«, sagte er zu ihm, »ist Monsieur Dufau, der
Friedensrichter, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe, und der
so wacker am Gedeihen der Gemeinde mitgeholfen hat. Und
dies,« fuhr er fort, ihm einen mageren, blassen, gleichfalls
schwarzgekleideten jungen Mann von mittlerer Figur vorstellend,
der eine Brille trug, »ist Monsieur Tonnelet, Monsieur Graviers
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Schwiegersohn, der erste Notar, der sich im Flecken
niedergelassen hat.«
Sich dann zu einem großen, halb bäurisch, halb bürgerlichen
Manne mit plumpem, finnigem aber recht gutmütigem Gesichte
wendend, sagte er fortfahrend:
»Der Herr ist mein würdiger Beigeordneter, Monsieur Cambon,
der Holzhändler, dem ich das wohlwollende Vertrauen verdanke,
das mir die Einwohner entgegenbringen. Er ist einer der Schöpfer
der von Ihnen bewunderten Fahrstraße. Ich hab' nicht nötig,«
fuhr Benassis, auf den Pfarrer zeigend, fort, »Ihnen zu sagen,
welchen Beruf der Herr ausübt, Sie sehen in ihm einen Mann, den
zu lieben niemand umhin kann.«
Des Priesters Gesicht nahm die Aufmerksamkeit des Offiziers
durch den Ausdruck einer moralischen Schönheit in Anspruch,
deren Zauber unwiderstehlich war. Auf den ersten Blick konnte
Monsieur Janviers Antlitz unangenehm erscheinen, so viele
strenge und schroffe Linie waren daraufgeschrieben. Seine kleine
Figur, seine Magerkeit, seine Haltung kündigten eine große
physische Schwäche an; seine immer ruhige Physiognomie aber
bezeugte den tiefen inneren Frieden des Christen und die Kraft,
welche Seelenkeuschheit erzeugt. Seine Augen, die den Himmel
zurückzustrahlen schienen, verrieten die unerschöpfliche Glut der
Nächstenliebe, die sein Herz verzehrte. Seine wenigen und
natürlichen Gebärden waren die eines bescheidenen Mannes;
seine Bewegungen hatten die schamhafte Einfachheit der
Bewegungen junger Mädchen. Sein Blick flößte Achtung und den
unbestimmten Wunsch ein, vertraut mit ihm zu werden. »Ach!
Herr Bürgermeister,« sagte er, sich verneigend, wie wenn er dem
Lobe, das Benassis ihm spendete, entgehen wollte.
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Der Ton seiner Stimme ging dem Major zu Herzen, und er wurde
durch die beiden nichtssagenden Worte, die der unbekannte
Priester äußerte, in eine beinahe religiöse Träumerei versenkt.
»Meine Herren,« rief Jacquotte, die bis in die Salonmitte trat und
dort, die Faust auf der Hüfte, stehenblieb, »Ihre Suppe steht auf
dem Tische.«
Auf Benassis' Aufforderung hin, der einen nach dem andern
aufforderte, um die Vortrittshöflichkeiten zu vermeiden, gingen
die fünf Gäste des Arztes in das Speisezimmer hinüber und
setzten sich dort, nachdem sie das Benedicite, das der Pfarrer ohne
Emphase mit heller Stimme betete, angehört hatten, zu Tisch. Der
Tisch war mit einem Tuche aus jenem Damastleinen bedeckt, das
unter Heinrich IV. von den Brüdern Graindorge erfunden worden
war, geschickten Fabrikanten, die den in Haushaltungen so
bekannten dichten Geweben ihren Namen gegeben haben. Das
Tischtuch strahlte von Weiße und roch nach dem Thymian, den
Jacquotte in die Lauge zu tun pflegte. Das Tafelgeschirr bestand
aus völlig unversehrtem blaurandigen weißen Steingut. Die
Karaffen hatten jene alte achteckige Form, welche nur die Provinz
bis auf unsere Tage beibehalten hat. Die aus Horn gearbeiteten
Messerstiele zeigten seltsame Figuren. Wenn man diese
Gegenstände eines verjährten Luxus, die nichtsdestoweniger fast
neu waren, betrachtete, fand sie jeder im Einklang mit der
Gutmütigkeit und dem Freimut des Hausherrn. Genestas'
Aufmerksamkeit verweilte einen Augenblick beim Deckel der
Suppenschüssel, den sehr schön kolorierte Gemüse in erhabener
Arbeit in der Art des Bernard Palissy, eines berühmten Künstlers
des XVI. Jahrhunderts, krönten. Die Versammlung entbehrte nicht
der Originalität. Benassis' und Genestas' kraftvolle Köpfe bildeten
einen wunderbaren Kontrast zu Monsieur Janviers Apostelkopfe;
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